692.

By Nicolas Müller, 30 December, 2024
Subtitle
Purusha Suktam
Body

sahasra-śīrṣā puruṣaḥ ' sahasrākṣaḥ sahasra-pāt /
sa bhūmiṃ viśvato vṛtvā ' atyatiṣṭhad daśāṅgulam // 1 //
 

Wörtliche Übersetzung: Der Purusha [ist] tausendköpfig, tausendäugig, tausendfüßig. Indem er die Erde von allen Seiten umgab, stand er zehn Finger über sie hinaus.

puruṣa evedaṃ sarvaṃ ' yad bhūtaṃ yac ca bhavyam /
utāmṛtatvasyeśānaḥ ' yad annenātirohati // 2 //

Der Purusha eben ist dies alles, was vergangen und zukünftig ist, und, Herrschender über die Unsterblichkeit, was durch Speise darüber hinauswächst.

etāvān asya mahimā ato jyāyāṃś ca puruṣaḥ /
pādo' sya viśvā bhūtāni ' tripād asyāmṛtaṃ divi // 3 //

Dermaßen ist seine Größe, und großartiger als das ist der Purusha. Ein Viertel von ihm sind alle Wesen, drei Viertel von ihm ist das Unsterbliche im Himmel.

tripād ūrdhva udait puruṣa ' pādo 'syehābhavat punaḥ /
tato viṣvaṅ vyakrāmat ' sāśanānaśane abhi // 4 //

Zu drei Vierteln stieg der Purusha nach oben, ein Viertel von ihm entstand wieder hier. Von da aus ging er nach verschiedenen Seiten auseinander, über das, was ist und das, was nicht ist, hinaus.

tasmād virāḍ ajāyata ' virājo adhi pūruṣaḥ /
sa jāto atyaricyata ' paścād bhūmim atho puraḥ // 5 //

Aus ihm wurde Virāj geboren, aus Virāj der Purusha. Geboren, überragte er von hinten und auch vorn die Erde.

yat puruṣeṇa haviṣā ' devā yajñam atanvata /
vasanto asyāsīd ājyaṃ ' grīṣma idhmaś śaraddhaviḥ // 6 //

Als die Götter mit dem Purusha als Opfer das Opfer ausbreiteten, war der Frühling dessen Schmelzbutter, der Sommer das Brennholz, der Herbst der Opferguss.

saptāsyāsan paridhayaḥ ' triḥ sapta samidhaḥ kṛtāḥ /
devā yad yajñaṃ tanvānāḥ ' abadhnan puruṣaṃ paśum // 7 //

Sieben waren seine Umlegehölzer, dreimal sieben Brennhölzer waren gemacht, als die Götter, das Opfer ausbreitend, den Purusha als (Opfer-)tier anbanden.

taṃ yajñaṃ barhiṣi praukṣan ' puruṣaṃ jātam agrataḥ /
tena devā ayajanta ' sādhyā ṛṣayaś ca ye // 8 //

Dies Opfer weihten sie auf der Opferstreu, den zu Anfang geborenen Purusha. Mit diesem opferten die Götter, die Sādhyas, und welche die Weisen sind.

tasmād yajñāt sarva-hutaḥ ' saṃbhṛtaṃ pṛṣad-ājyam /
paśūṃs tāṃś cakre vāyavyān ' āraṇyān grāmyāṃś ca ye // 9 //

Aus diesem alles opfernden Opfer [wurde] Butterschmalz und geronnene Milch zusammengestellt, hat er/man die Tiere gemacht, welche zur Luft, zur Wildnis, und zum Dorf gehören.

tasmād yajñād sarva-hutaḥ ' ṛcaḥ sāmāni jajñire /
chandāṃsi jajñire tasmāt ' yajus tasmād ajāyata // 10 //

Aus diesem alles opfernden Opfer sind die Verse [und] die Melodien geboren worden, die Versmaße sind daraus geboren worden, der Opferspruch wurde daraus geboren.

tasmād aśvā ajāyanta ' ye ke cobhayā-dataḥ /
gāvo ha jajñire tasmāt ' tasmāj jātā ajāvayaḥ // 11 //

Daraus wurden die Pferde geboren [und] welche auch immer mit doppelter Zahnreihe sind, die Rinder eben sind daraus geboren, daraus geboren sind die Ziegen und Schafe.

yat puruṣaṃ vyadadhuḥ ' katidhā vyakalpayan /
mukhaṃ kim asya kau bāhū ' kāv ūrū pādāv ucyete // 12 //

Als sie den Purusha zerlegten, wie vielfach zerteilten sie [ihn]? Was wurde sein Kopf, was die beiden Arme, was die beiden Schenkel, Füße genannt?

brāhmaṇo 'sya mukham āsīt ' bāhū rājanyaḥ kṛtaḥ /
ūrū tad asya yad vaiśyaḥ ' padbhyāṃ śūdro ajāyata // 13 //

Sein Kopf war der Brahmane, seine beiden Arme wurden zum Krieger gemacht, seine Schenkel [wurden] das, was der Vaishya ist, aus den Füßen wurde der Shūdra geboren.

candramā manaso jātaḥ ' cakṣoḥ sūryo ajāyata /
mukhād indraś cāgniś ca ' prāṇād vāyur ajāyata // 14 //

Der Mond ist aus [seinem] Denken geboren, aus [seinen] Augen wurde die Sonne geboren, aus [seinem] Mund Indra und Feuer, aus [seinem] Atem wurde der Wind geboren.

nābhyā āsīd antarikṣaṃ ' śīrṣṇo dyauḥ samavartata /
padbhyāṃ bhūmir diśaḥ śrotrāt ' tathā lokān akalpayan // 15 //

Aus dem Nabel war der Luftraum, aus dem Kopf entstand der Himmel, aus den Füßen die Erde, die Himmelsrichtungen aus dem Ohr: so bildeten sie die Welten.

vedāham etaṃ puruṣaṃ mahāntam ' āditya-varṇaṃ tamasas tu pāre /
sarvāṇi rūpāṇi vicitya dhīraḥ ' nāmāni kṛtvābhivadan yad āste // 16 //

Ich habe diesen großen Purusha erkannt, den sonnenfarbigen, jenseits der Dunkelheit, nachdem der Weise alle Gestalten betrachtet [und] Namen gemacht hatte, benennend, was (in der Welt) enthalten ist.

dhātā purastād yam udājahāra ' śakraḥ pravidvān pradiśaś catasraḥ /
tam evaṃ vidvān amṛta iha bhavati ' nānyaḥ panthā ayanāya vidyate // 17 //

Welchen der Schöpfer vormals hervorgebracht hat - der Starke, die vier Weltgegenden kennende - diesen so kennend, wird man hier unsterblich, es gibt keinen anderen Weg zu gehen.

yajñena yajñam ayajanta devāḥ ' tāni dharmāṇi prathamāny āsan /
te ha nākaṃ mahimānaḥ sacante ' yatra pūrve sādhyāḥ santi devāḥ // 18 //

Mit dem Opfer opferten die Götter, dies waren die ersten Gesetze, sie, diese Größen folgen dem Firmament, wo die früheren, die Sādhya-Götter sind.

adbhyaḥ sambhūtaḥ pṛthivyai rasāc ca ' viśva-karmaṇaḥ samavartatādhi /
tasya tvaṣṭā vidadhad rūpam eti ' tat puruṣasya viśvam ājānam agre // 19 //

Aus den Wassern und aus (sonstiger) Flüssigkeit für die Erde entstanden, entwickelte er sich durch Vishvakarman über [sie] hinaus; dessen Gestalt anordnend, bewegt sich Twashta, das [war] des Purusha Welt von der Zeit der Schöpfung an, am Anfang.

vedāham etaṃ puruṣaṃ mahāntam ' āditya-varṇaṃ tamasaḥ parastāt /
tam evaṃ vidvān amṛta iha bhavati ' nānyaḥ panthā vidyate 'yanāya // 20 //

Ich habe diesen großen Purusha erkannt, den sonnenfarbigen, jenseits der Dunkelheit; eben diesen so kennend, wird man hier unsterblich, es gibt keinen anderen Weg zu gehen.

prajā-patiś carati garbhe antaḥ ' ajāyamāno bahudhā vijāyate /
tasya dhīrāḥ parijānanti yonim ' marīcīnāṃ padam icchanti vedhasaḥ // 21 //

Prajāpati geht im Mutterschoß umher; [obwohl] er nicht geboren wird, wächst er in vielfacher Weise. Die Weisen kennen seinen Ursprung, die Anordner [der Welt] begehren die Stätte der Lichter.

yo devebhya ātapati ' yo devānāṃ purohitaḥ / 
pūrvo yo devebhyo jātaḥ ' namo rucāya brāhmaye // 22 // 

Welcher für die Götter glüht, welcher der Hauspriester der Götter ist, welcher früher als die Götter geboren wurde, Verneigung dem lichten, zum Brahman gehörigen.

rucaṃ brāhmaṃ janayantaḥ ' devā agre tad abruvan /
yas tvaivaṃ brāhmaṇo vidyāt ' tasya devā asan vaśe // 23 //

Den lichten, zum Brahman gehörigen hervorbringend, sprachen die Götter dies am Anfang: welcher Brahmane dich so kennt, dem sind die Götter zu Willen.

hrīś ca te lakṣmīś ca patnyau ' ahorātre pārśve ' nakṣatrāṇi rūpam ' aśvinau vyāttam ' 
iṣṭaṃ maniṣāṇa ' amuṃ maniṣāṇa ' sarvaṃ maniṣāṇa // 24 //

Deine beiden Frauen sind 'Schamhaftigkeit' und Lakshmī, [deine] beiden Seiten Tag und Nacht, [deine] Erscheinungsform die Mondhäuser, [dein] geöffneter Mund die beiden Ashwin - sende mir das Erwünschte, sende jenen, sende alles.

Bedeutung

Purusha Sukta gehört zu den wichtigsten Veda Mantras, ist vielleicht nach dem Gayatri Mantra das wichtigste Veda Mantra. Man findet es im Rig Veda, im Taittiriya-Aranyaka und auch noch in anderen Versionen. 
 

Purusha heißt Mensch, aber auch Bewusstsein. Und in diesem Purusha Sukta wird das Göttliche angerufen als kosmische Gestalt. Zu Beginn der Schöpfung gab es nur dieses Unendliche und Ewige und aus sich selbst heraus hat es das Universum geschaffen, sich als das Universum manifestiert. Und dieses Universum ist jetzt der physische Körper des höchsten Wesens. Das gesamte Weltall ist ein einziges Wesen. Es gibt nur ein einziges Wesen, nämlich dieses göttliche Wesen. Und alle Einzelgestalten sind wie Zellen in diesem kosmischen Purusha. Das Göttliche manifestiert sich als die Welt, es bleibt aber auch jenseits der Welt. 
 

Bewusstsein ist das Bewusstsein des Universums, und Bewusstsein ist auch das Bewusstsein hinter jedem einzelnen Körper. So ist dieses Kosmische tausendköpfig, tausendarmig, tausendfüßig. Indem dieses Kosmische die Erde von allen Seiten umgibt, ragt es dennoch auch über diese Schöpfung hinaus. Dieser Purusha, dieses Bewusstsein und dieses höchste Wesen ist alles, was vergangen und zukünftig ist, ist Herrscher über Unsterblichkeit und wächst über alles Speisengemachte hinaus. Dermaßen ist seine Größe und noch großartiger als das ist der Purusha. Ein Viertel dieses Purushas sind alle Wesen, Dreiviertel, also der größte Teil, ist jenseits, ist das Unsterbliche.

Und so wird in vielen Versen dieses Höchste beschrieben und man wird sich dessen bewusst: Ich bin Teil dieses Höchsten, wir sind eins mit dem Höchsten, wir sind Teil von diesem Höchsten, wir sind Zellen vom Höchsten und letztlich das Bewusstsein dieses Höchsten.

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